
Soft Cover, German, Glue Binding, 1058 Pages, 1977
documenta 6, 1977
Rare BookDie Abfolge der documenta-Ausstellungen suggeriert zwar Kontinuität, doch jede Ausgabe versteht sich zugleich als eigenständige Setzung. Jede documenta „erfindet sich neu“ – und reagiert dennoch auf die jeweils vorangegangene.
So markierte die documenta 6 im Jahr 1977 einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Ausstellung: Zum ersten Mal wurden Künstlerbücher, Autorenfilm und historische Fotografie systematisch als eigenständige künstlerische Medien präsentiert. Eine umfassende Fotoabteilung spannte einen Bogen über 140 Jahre Fotogeschichte – von frühen Daguerreotypien bis zu zeitgenössischen fotografischen Konzepten.
Mit der Sektion „Utopisches Design“ wurde zudem ein spekulativer Blick auf die Entwicklung des Automobils geworfen – kritisch, visionär, experimentell. Noch nie zuvor hatte eine documenta derart umfassend mit bewegtem Bildmaterial gearbeitet: Die Videokunst nahm eine zentrale Rolle ein, was der programmatischen Ausrichtung der Ausstellung entsprach.
Kurator Manfred Schneckenburger setzte mit der documenta 6 bewusst auf eine medienreflexive Perspektive. Während in den 1960er Jahren noch eine fast ungebrochene Euphorie gegenüber den technischen Massenmedien herrschte – Schneckenburger selbst sprach rückblickend von einer „medieneuphorischen Zeit“, die auch die künstlerischen Medien einschloss –, war die Medienlandschaft der 1970er Jahre zunehmend von kritischer Distanz geprägt. Fragen nach der Macht, Manipulation und Realitätserzeugung durch Medien rückten in den Fokus. Die Ausstellung reagierte darauf mit einer konzeptuellen Medienkritik, in der künstlerische Praxis nicht mehr nur Bildproduktion bedeutete, sondern zugleich mediale Selbstreflexion.