Article Number: 4660
Soft Cover, German, Glue Binding, 48 Pages, 2012, Secession

Fiona Rukschcio. retaped Rape

€ 16.00

Publikation anlässlich der Ausstellung in der Secession, 7. Dezember 2012 bis 10. Februar 2013 (Deutsch/Englisch)

Fiona Rukschcio thematisiert in ihren Filmen, Collagen und Projekten weibliche Rollenzuweisungen, Identitätsentwürfe und emotionale Grenzerfahrungen. In der Secession zeigte sie ihren 2012 produzierten Film retaped Rape . Ausgangspunkt und strukturelle Vorgabe dieser neuen Arbeiten ist der Film Rape von Yoko Ono und John Lennon aus dem Jahr 1969. Rukschcio hat das Werk, in dem eine junge Frau vom Kameramann durch London bis in ihre Wohnung verfolgt wird, mit den gleichen Kameraeinstellungen an den Originalschauplätzen nachgedreht, jedoch ohne Protagonistin. Den Film kennzeichnet eine gewalttätige und sexuell aufgeladene Atmosphäre. Die von der Kamera verfolgte Frau zeigt sich anfangs zwar geschmeichelt, wirkt jedoch zunehmend ängstlich und zutiefst verstört.

Rape gilt als eines der Werke, die brutal offenlegen, wie die Kamera ihr eigenes Regime etabliert und der/dem Gefilmten seine Herrschaft aufzwingt. Die strukturell voyeuristische und ausbeutende Natur des (männlichen) Blicks, wie er von Laura Mulvey in ihrem Essay „Visual Pleasure and Narrative Cinema“ (1973) beschrieben wurde, wird durch diese mediale Versuchsanordnung beispielhaft in Szene gesetzt. Die Kamera fokussiert, verfolgt und umkreist die Frau, kommuniziert also auf verschiedene Weise mit ihr als ihrem Gegenüber.

In retaped Rape ist die Kamera auf sich selbst zurückgeworfen und folgt einer unsichtbaren Spur. Damit befreit sie die Zusehenden aus der ursprünglichen Täterperspektive und macht mit diesem Kunstgriff sowohl die Perspektive des Opfers als auch das zeitliche Ausmaß der Gewalteinwirkung evident.

Elisabeth Büttner beschreibt diesen Zusammenhang in ihrem Katalogessay: „Das Ereignis hat sich verlagert, es ist nicht sichtbar, es muss hergestellt werden. […] Die Ideologie von 1969 wird dekomponiert. Es braucht kein sichtbares Objekt, keinen greifbaren Anlass, um das Werken der Kamera als mächtig, eingreifend, unablässig Wirklichkeit bildend und transformierend auszuweisen […]. Das primäre Tauschverhältnis besteht nicht mehr zwischen einem begehrten und verfolgten Objekt und der Kamera, sondern zwischen Kamera und Kamerafrau sowie Kamera und ZuschauerInnen.“

„Unerbittlich geht Fiona Rukschcios Kamera ihren Weg. Vieles bleibt in ihrem Film retaped Rape ähnlich den Vor-Bildern von Yoko Ono und John Lennon, ist alles andere als eine Raub-Kopie, offenbart aber die weitaus hintergründigere Fratze als 1969. Vieles ist heute ganz normal geworden, vieles verstört wie damals. Der Umgang damit ist aber definitiv ein anderer, zeigt retaped Rape.“, schreibt Doris Krumpl in ihrem Katalogtext. Durch diese Verschiebung eröffnet Fiona Rukschcio eine Reihe von Fragen nach dem Zusammenhang von Kamerasprache, Blickregime und nicht zuletzt von Gewalt. Was verändert sich etwa, wenn hinter der Kamera nun eine Frau ist, während die Frau vor der Kamera fehlt?

(Quelle: Verlag)