Article Number: 2075
Soft Cover, German, Glue Binding, 144 Pages, 2010, Fotogalerie Wien
Fotogalerie Wien

Identität. Identity

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„Was konstituiert Identität heute?“, fragt das kuratorische Team der Fotogalerie Wien anlässlich des Themenschwerpunkts für das Jahr 2010. (German/English)

Die dreiteilige Ausstellungsserie fokussiert Identität der Gegenwart in ihrer vielfältigen wie prozessualen Gestalt, ebenso wie die gezeigten künstlerischen Positionen die gleichsam unabschließbaren und vor allem uneindeutigen Facetten der Identitäten heutiger spätmoderner Subjekte widerspiegeln. Die KünstlerInnen visualisieren, wie die miteinander verwobenen Ausformungen personaler und kollektiver Identitäten zwischen Selbst- und Fremdbestimmung paradox changieren.

Identität I - Biografie reflektiert die Relation von Biografie und Identität als ‚Entwicklungslinie alltäglicher Identitätsarbeit’. Wie lässt sich biografische Selbsterfahrung heute bewältigen? Wie je nach Lebensphase und Handlungsaufgaben jeweils unterschiedliche, widersprüchliche und divergente Teilidentitäten in einer Biografie dominieren, die es im Wechselspiel mit den Anforderungen von außen und von innen zu synthetisieren gilt, zeigen auch die für den Auftakt des Jahresschwerpunkts ausgewählten KünstlerInnen. Insbesondere der Seriencharakter aller fünf künstlerischen Statements verweist indirekt auf die fragmentierte wie inkonstante Beschaffenheit heutiger Subjekte.

Das Themenfeld der zweiten Ausstellung, Identität II - Identitätsstiftung, hinterfragt die ambivalenten Interpretationsmodelle der Identitätsstiftung, die je nach Kontext zwischen Identifikation und Ideologisierung divergieren: Kollektive Identität ist nach Jan Assmann immer nur „so stark oder so schwach, wie sie
im Denken und Handeln der Gruppenmitglieder lebendig ist […]“. Sie ist Ausdruck dessen, was Personen an einheitlichen Selbst- und Weltbeschreibungen miteinander verbindet und auf welche Weise sich Individuen damit identifizieren. Identitätsstiftung gerät jedoch unter Ideologieverdacht, sobald sich in Gesellschaften die Annahme kultureller Homogenität oder geschichtlicher Kontinuität abzeichnet. Der manipulative Gebrauch des Identitätsbegriffs zur Stiftung einer symbolischen Einheit zeigt, wie dieser zur Konstruktion von Großgruppen instrumentalisiert wird. Solche Universalisierungstendenzen entlarven sich als normierende Suggestion, welche die begriffliche Verwandtschaft von Identität mit Autonomie umso bedeutsamer erscheinen lässt.

Für die Abschlussausstellung Identität III - Verortung hat das kuratorische Kollektiv der Fotogalerie Wien künstlerische Positionen eingeladen, die sich mit der Verortung des Subjekts in der Spätmoderne kritisch auseinandersetzen. Während in der frühen Moderne kollektive Identitäten ein sicheres Bezugssystem bereit hielten, in denen die individuellen Identitäten ihren Platz kannten, erfuhren ehemals stabilisierende Rahmenbedingungen wie Klasse, Nation, Ethnie, Kultur, Religion oder Geschlecht in der Spätmoderne Auflösungstendenzen. Aus der gegenwärtigen Sehnsucht nach Verortung spricht ein Bedürfnis, ein Gefühl von Zugehörigkeit und sozialer Anerkennung zu erleben. Denn die spätmoderne, (post)postkoloniale Welt steht infolge der Globalisierung unter dem Einfluss eines entgrenzten Welthorizonts, in welchem zusätzlich die Mediatisierung normierend auf Identität wirkt. Solche gesellschaftlichen Individualisierungs- und Pluralisierungsprozesse münden in eine Destabilisierung und Fragmentierung von Identitäten. Stärker denn je tritt dabei die Bedeutung von Machtgefügen in den Vordergrund, in denen sich die Frage von Zugehörigkeit als Kampf um Inklusion und Exklusion bisweilen drastisch abzeichnen.