Innen Ist Nicht Außen
Die deutsche Künstlerin Ulla von Brandenburg ergründet in ihren Filmen, Zeichnungen und Installationen die Facetten des Bühnenhaften und Theatralischen, das Verhältnis von ZuschauerInnen und AkteurInnen, die Regelhaftigkeit des Spiels sowie die Schnittstellen von Realität und Illusion. In ihrer ersten Einzelausstellung in Österreich, Innen ist nicht Außen, zeigt Ulla von Brandenburg als Teil einer spezifisch auf den Hauptraum der Secession zugeschnittenen Bühneninstallation ihren neuen Film Die Straße.
Der Schwarz-Weiß-Film Die Straße zeigt einen Mann, der in eine ihm fremde Dorfgemeinschaft kommt und sich mit den dort geltenden Ritualen und Konventionen des sozialen Umgangs konfrontiert sieht. In einer einzigen ungeschnittenen Einstellung verfolgt die Kamera wie eine dritte Person die Aktionen der DarstellerInnen, die von Brandenburg in einer ephemeren Kulissenstadt aus weißen Leinwänden unter freiem Himmel in Szene gesetzt hat.
"Er kommt in eine andere Welt und versucht, die vielen ihm fremden Geschehnisse zu verstehen. Es ist für ihn wie eine Zeitreise: Zum einen ist der zeitliche Zusammenhang nicht ganz klar, in den er geraten ist, zum anderen gibt es keine wirkliche Entwicklung in der Abfolge der verschiedenen Handlungen." (Ulla von Brandenburg, Interview mit Nina Möntmann)
Die stilisierende Szenerie, die rätselhaften Rituale, welche die Interaktion der Schauspieler untereinander bestimmen, und das Lied, das sie abwechselnd singen, verleihen dem Film eine besondere Poesie.
Mit Die Straße entwickelt Ulla von Brandenburg ihr Werk konsequent weiter. In ihren frühen Schwarz- Weiß-Filmen hat sie scheinbar bewegungslose Arrangements von Personen und minimale performative Aktionen inszeniert, um ritualisierte Verhaltensmuster und das Verhältnis von Sein und Schein zu erkunden. Beispielhaft dafür steht ihr Film 8 aus dem Jahr 2007, in dem sich die Kamera durch die Zimmerfluchten eines barocken französischen Schlosses bewegt und in jedem Raum auf Personen oder Figurengruppen trifft, die ebenso geheimnisvolle wie bedeutungsschwere Gesten ausführen. Auch in ihrem Film Shadowplay (2012) werden die Verdoppelung, die im Akt der Schauspielerei liegt und die Spannung zwischen angeleitetem Spiel, der Identifikation mit der Rolle und der Identität einer Person thematisiert. Eine Frau und zwei Männer treffen in der Umkleide eines Theaters aufeinander; sie ziehen ihre Kostüme an, schminken, inszenieren und duellieren sich.
Ulla von Brandenburg konzipiert für ihre Filme häufig spezifisch auf den Raum abgestimmte Präsentationen, die ein dichtes Netz an kulturellen und historischen Bezügen etablieren. In der Secession erfährt die im Film dargestellte Situation des Eintritts in eine andere Welt durch die Inszenierung im realen architektonischen Raum eine Verdoppelung, indem Ulla von Brandenburg vor die Filmprojektion eine komplexe Bühnenkonstruktion stellt. Die BetrachterInnen betreten diese Bühne zunächst von hinten und bewegen sich auf ihr durch verschiedene Vorhänge und Prospekte auf einen Zuschauerraum zu, bevor sie hinter dem letzten Vorhang den Film sehen. Mittels der verschiedenen Theatervorhänge, Bühnen- und Zuschauerebenen erzeugt die Künstlerin ein Spiel mit dem Davor und Dahinter, Außen und Innen, das die BetrachterInnen letztlich mit sich selbst und ihrer Rolle konfrontiert. Rene Zechlin beschreibt dieses zentrale Merkmal ihrer Arbeiten in seinem Katalogtext folgendermaßen:
"Ulla von Brandenburgs Referenzen an das Theater führen uns immer wieder auf die Grundfragen unserer Existenz und Gesellschaft zurück: Wer sind wir? Welche Rolle spielen wir? Welche Position wird uns durch unsere Rolle zugewiesen? Auch bei Ulla von Brandenburg kann man sich nicht aus dem Theater des Lebens verabschieden, ohne sich selbst in Frage zu stellen. In ihren filmischen Allegorien und Installationen lässt sie die Ausstattung und das Umfeld der Inszenierung metaphorisch zum Vorschein kommen. Sie lässt uns einen Blick hinter die Bühne des Lebens werfen, ohne die Faszination des eigenen Spiels zu zerstören." (Rene Zechlin, Katalogtext)
Der Vorhang hat im Werk Ulla von Brandenburgs charakteristischerweise die Funktion, einen Übergang zu markieren von der realen Welt in jene des Theaters, in einen geistigen Raum, in dem die Imagination, Träume und das Unbewusste regieren und keine zeitlichen oder räumlichen Schranken existieren. In ihrer Installation in der Secession wird dies durch den letzten, orangeroten Vorhang besonders hervorgehoben. Sein ausgeblichenes Muster korrespondiert mit dem Deckenraster des Ausstellungsraums und verweist dadurch nicht nur auf die ortsspezifischen Gegebenheiten, sondern stellt mit den Spuren der Sonne zugleich eine weitere Projektion von Licht und Schatten dar.
Sprache: Deutsch