Josef Dabernig, Handschriftliche Kopien/ handwritten copies ...
availability unknown, if interested please write an email
Josef Dabernig
Handschriftliche Kopie des Buches von Dr. Franz Xaver Mayr
"Schönheit und Verdauung oder die Verjuüngung des Menschen nur durch sachgemäße Wartung des Darmes"
5.Auflage – 1975, Verlag Neues Leben Bad Goisern, Oberösterreich
(Erstausgabe 1920), 1977
(deutsch/italienisch)
Die Beschäftigung mit Ordnungssystemen und systematisches Vorgehen charakterisieren das Werk des Filmautors und Konzeptkünstlers Josef Dabernig. Mathematik hat er ebenso im Programm wie Architektur, Raum- und Stadtplanung, Materialkunde und Kunsttheorie. Seine formalen Operationen stehen häufig in Zusammenhang mit Handlungs- und Verhaltensweisen der sozialen Realität, zu der er eine kritische Beziehung hat.
Als junger Kunststudent schrieb Josef Dabernig Franz Xaver Mayrs ‚Schönheit und Verdauung oder die Verjüngung des Menschen nur durch sachgemäße Wartung des Darmes’ ab. Die biedere, ideologisch nicht unbrisante Studie des steirischen Arztes rund um eine Diät mit Milch und Semmeln wirkt bis heute in Wellnesszonen und Fitneßclubs nach. Mit einer festen Unterlage auf den Knien schrieb Dabernig, am Ufer eines Flusses sitzend, mit blauem Kugelschreiber auf lose Blätter im DIN A5 Format. Die Schreibexerzitien folgten auf eine Zeit körperlichen Trainings als Waldarbeiter, um eine Stoffwechselerkrankung zu bekämpfen. Nach einigen Wochen des manuellen Kopierens hatte er einen Stapel von 55 Blättern angefertigt, auf beiden Seiten in akkurater Schönschrift beschrieben. Immer dichter wurde das Schriftbild, immer kompakter die Seiten, immer dringender das Anliegen, möglichst viel Text auf einem Blatt unterzubringen.
Der achte Band der Bawag Foundation Editon macht die Werkkategorie ‚Schreibarbeiten’ Josef Dabernigs in ihrer bisher ausführlichsten und in angemessener Form zugänglich. Es ist das geheimnisvollste Kapitel im Werk des Künstlers und beinhaltet das Abschreiben von naturwissenschaftlichen Texten, Stadtführern und historischen Werken ebenso, wie das Anlegen von Statistiken und Tabellen über Lebensgewohnheiten und alltägliche Verrichtungen: so verweisen Listen über Zigaretten- und Benzinkonsum auf die eigene Identität.
Für die Publikation in der Bawag Foundation hat der Künstler aus allen Schreibarbeiten die beiden umfangreichsten ausgesucht, die er je in Angriff genommen hat. Neben F.X.Mayr ist dies die Kopie von ‚Il territorio dell’architettura’ des italienischen Architekten und Urbanisten Vittorio Gregotti. Den Text komprimiert Dabernig auf 38 DIN A4 Seiten und schließt damit im Jahr 1999 die bislang letzte handschriftliche Abschreibarbeit ab. Im Band 8 der Bawag Foundation Editon liegen nun die kompletten Abschriften beider Bücher vor und machen Dabernigs Interesse an Regelwerken und visuellen Zeichenstrukturen deutlich. Im Kontext der internationalen Konzeptkunst lassen sich die Abschreibarbeiten Josef Dabernigs dort ansiedeln, wo die räumliche und visuelle Erfahrung des Objekts durch eine sprachliche Definition ersetzt wird. Benjamin Buchloh hat diesen folgenreichsten Angriff auf die Materialität des Kunstwerks, auf seinen Status als Ware und auf die Form seiner Distribution die ‚Ästhetik der Administration’ genannt. Mit ‚unirritierbarer, mechanischer Routine’ (Georg Schöllhammer) arbeitet Josef Dabernig an diesem Angriff.
Quelle: BAWAG Foundation